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...Konzert-Kritiken |
Stuttgarter
Zeitung, 12.07.2002 original
Klavierabend beim
Ludwigsburger Festival, 10.07.2002
Nuancieren und Differenzieren nach
dem Sturm
Das frenetisch gefeierte Konzert der Pianistin
Elena Kuschnerova bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen
Vor oder nach einem schweren Sturm verfällt
die Natur in einen Zustand von Ruhe und Lethargie. Die Kräfte werden
regeneriert, gesammelt, die Spannung in der Atmosphäre steigt erneut
und entlädt sich dann nicht selten mit brachialer Gewalt in einem
neuen Sturm. Ähnlich war dies am Mittwochabend im frenetisch gefeierten
Konzert der inzwischen in Deutschland lebenden russischen Pianistin Elena
Kuschnerova im Ludwigsburger Ordenssaal.
Robert Schumanns "Etudes Symphoniques"
op. 13 waren ein Auf und Ab der Emotionen. Melancholisch und gesanglich
legt die Kuschnerova das Thema an, markiert in der ersten Variation den
Bass, lässt in der dritten Variation die Repetitionen und Oktaven
nur so rauschen und holt in den ruhigeren Abschnitten immer wieder neu
Atem und Kraft, um in zwei Höhepunkten die ganze Energie ihrer Virtuosität
abzuladen. Die zentralen Variationen sechs und sieben und das brillante
Finale werden zu Demonstrationen einer unerhörten Virtuosität,
einer technischen Brillanz, die aber niemals zum klingelnden Selbstzweck
wird. Immer bleibt der Tonfall elegant, weich gerundet, die Kontrolle im
Anschlag, das Nuancieren und Differenzieren verliert sie nicht aus den
Augen, was ihr bei den vier Sonaten Domenico Scarlattis nicht immer gelungen
war.
Das wirkte zu Beginn des Abends
etwas vorsichtig, zögerlich im Tempo und in den Läufen und Trillern
gelegentlich verwaschen. Claude Debussys an Vorbildern des französischen
Barock orientierte Suite "Pour le Piano" war beredtes Beispiel für
die große Kunst Elena Kuschnerovas, die vielleicht eine der komplettesten
Pianistinnen unserer Tage ist. Wieder macht sie mit ihrer stupenden Virtuosität
staunen. In den raschen Ecksätzen "Prélude" und "Toccata" perlen
die Läufe, donnern die Oktaven, fliegen die Finger nur so über
die Klaviatur, und mit einer verblüffenden Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit
zaubert sie selbst in diesen hoch anspruchsvollen Passagen traumwandlerische
Klangfarben. Innig und lyrisch nimmt sie die "Sarabande" der Debussy-Suite.
Ebenso elegant, fast schon nach
Frederic Chopin oder Claude Debussy klingend, geht sie die beiden "Poèmes"
op. 32 von Alexander Skrjabin an. Verhalten und weich wird der Klang, Elena
Kuschnerova scheint selbst in eine weit entfernte Atmosphäre abzutauchen,
ehe sie nach dieser Ruhephase wieder mit einer eruptiven Kraft ihr Feuerwerk
der Virtuosität abbrennt. In Sergej Prokofjews Sonate Nr. 7, op. 83
entlarvt sie schonungslos die vordergründige Virtuosität.
Beklemmung, Angst und Panik
lauern hinter dieser Brillanz - damit wird sie der Tempobezeichnung "Allegro
inquieto" des ersten Satzes gerecht. Denn Unruhe zeichnet diese ganze Sonate
aus. Selbst die lyrische Insel des zweiten Satzes ist wieder nur ein Kraftsammeln
vor dem Sturm des "Precipitato" im letzten Satz, dem nur noch frenetische
Ovationen und vier Zugaben folgen können.
Von Markus Dippold |
Stuttgarter
Nachrichten, 16.07.2002 original
Klavierabend beim
Ludwigsburger Festival, 10.07.2002
Prokofiev nahm fast den Atem
Die Ausnahmepianistin Elena Kuschnerova im
Schloss: Mitreißender Beitrag zu den Festspielen
Mit einem anspruchvollen Programm, das werke unterschiedlicher
Komponisten vom 18. bis 20 Jahrhundert enthielt, rechtfertigte die Russische
Pianistin Elena Kuschnerova ihren Ruf als Ausnahmetalent. So konnte sie
eine stattliche Besucherzahl im Ordensaal des Schlosses restlos überzeugen.
Am Schluss gab es jubelnde Zustimmung und noch drei Zugaben.
Seit zehn Jahren lebt die
Künstlerin, die bereits mit Auszeichnung ihre Ausbildung am Moskauer
Konservatorium abschloss, in Deutschland und startete von hier aus in eine
internationale Karriere. 1998 wurde sie mit dem Preis der Deutschen Schalplattenkritik
für die Klavierfassung von Sergei Prokofievs "Romeo und Julia" bedacht.
Sie gilt auch als eine der besten Interpretinnen von Alexander Scriabin.
Kompositionen beider Landsleute
der Pianistin bildeten den Höhepunkt ihrer Vortragsfolge. Von Scriabin
brachte sie zwei Poèmes zu Gehör. Unter ihren Händen strahlte
Nummer eins in Fis-Dur geschmeidigte Eleganz aus, während Nummer zwei
in D-Dur von aufbrausender Leidenschaft geprägt war. Feinsinnig, aber
zielstrebig wurden Eigenheiten des Komponisten mit sicherem Gespühr
dargeboten. Bei der Wiedergabe der Sonate Nummer sieben von Prokofiev blieb
dem Publikum fast der Atem weg. Hier wurde die innere Zerrissenheit eines
Mannes, der unter dem Sovietregime gefeiert und verbannt wurde, deutlich.
Erst hach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich Prokofiev, der 1953 starb,
frei entfalten.
Heiter und voller Leichtigkeit
gespielt waren die Kompositionen von Domenico Scarlatti, der erst nach
seinem Weggang aus dem Schatten seines berühmten Vaters Alessandro
in Portugal und Spanien unzählige Sonaten schrieb. Er verwendete jeweils
die Rhythmen des Gastlandes und bestach durch die Andeutung von Gitarre
und Kastagnetten. Mit spielerisch gestalteten Läufen vermittelte die
Künstlerin die im 18. Jahrhundert übliche höfische Musik.
Starken Kontrast hierzu bildeten
die Etudes Symphoniques von Robert Schumann. Es sind eigentlich Variationen
eines Komponisten, dem eine Fingerlähmung die Karriere als Pianist
verhinderte. So drückt er in seinen Werken Schwermut und aufbrausende
Ausbrüche aus, die zuweilen in zahrte Romantik übergehen. Dieses
erregende Wechselspiel brachte die Künstlerin mit beklemmender Intensität
zu Gehör.
Von gänzlich anderer
Tonmalerei geprägt waren die drei Stücke "Pour le Piano" von
Claude Debussy. Er bevorzugte virtuose, zielstrebige Klangbilder ohne jede
schmückende Beigabe. Wieder erwies sich Elena Kuschnerova als künstlerisch
und technisch versierte Interpretin, die das Publikum mitriss und ihren
Ruf als Meisterin auf dem Tasteninstrument bestätigte. |
Frankfurter
Allgemeine Berlin, 29.6.2000
original
/ English
translation
Die Geschichtenerzählerin
Eine
noch unentdeckte Höchstbegabung spielt im Kammermusiksaal der Philharmonie
Sie gilt in der Pianisten-Branche immer noch als
so genannter Geheimtipp. Trotz bester Referenzen wie einem Abschluss mit
"besonderer Anerkennung" am Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium und mehrerer
glänzender CD-Kritiken - so wurde ihr der Vierteljahrespreis der Deutschen
Schallplattenkritik für die Prokofjew-Einspielungen mit dem Südwestrundfunk
Baden-Baden verliehen - ist ihr der Aufstieg in die heiligsten Hallen bislang
verwehrt geblieben. Die weltbesten Orchester und die weltweit renommiertesten
Podien haben sie bislang nicht erlebt, auch eine entsprechend karrierefördernde
Plattenfirma versäumte es bis zum heutigen Tag, sie unter Vertrag
zu nehmen. Die Gründe dafür sind hausgemacht. Der sogenannte
Klassikmarkt, zumal im Bereich Klavier, ist umkämpfter denn je. Wer
sich, und sei es durch verrückte pianistische Taten oder Extravaganzen,
einen Namen macht, hat es leicht, wer es nicht tut, hat es schwer. Es reicht
eben kaum; sehr gut oder noch besser Klavier zu spielen und dazu über
eine gehörige Portion Individualität zu verfügen.
Elena Kuschnerova, wie so viele pianistische Höchstbegabungen
russischer Herkunft, seit acht Jahren aber in Deutschland zu Hause, kann
für sich das Kompliment in Anspruch nehmen, zu dieser Sorte von Künstlern
zu zählen, denen der Gang aufs Treppchen erst noch bevorsteht - so
denn jemand sie an die Hand nimmt. Ihr anschlagstechnisch kultiviertes,
technisch überlegtes Spiel ist von einer enormen Vielfalt an Klangfarben
und Ausdrucksvarianten geprägt, ihr Sinn für Formabläufe
ebenso stupend wie ihr Vermögen, auf dem Flügel spannende Geschichten
zu erzählen.
Zum Beispiel kleine Skrjabin-Geschichten. Auf
ihrer Anfang dieses Jahres erschienenen CD (siehe F.A.Z. vom 3.3.2000)
spielt Elena Kuschnerova die Etüden op. 8, die vierundzwanzig Preludes
op. 11 sowie die zwei Poemes op. 32 von Skrjabin. Jedes Stück ein
kleines Kleinod, voller kleiner Geheimnisse, mal zart, mal wuchtig, immer
wieder mit überraschenden Wendungen, dabei stets eingebunden in den
zyklischen Gesamtentwurf. Kuschnerova vermag es, mittels einer organisch
den Atem der Musik aufnehmenden und dem Hörer eindringlich vermittelnden
Rubato-Kultur sowie eines differenzierten Klangbildes jedem dieser Stücke
einen sehr persönlichen Charakter zu verleihen, ohne die Beziehung
zwischen diesen unterschiedlichen Charakteren und ihren Geschichten außer
Acht zu lassen. Wie fein gezeichnete Personen in einem Tschechow'schen
Theaterstück, die gemeinsam auf der Bühne stehen, verhalten sich
die Miniaturen zueinander. Und jeder von ihnen hat etwas sehr Persönliches
zu sagen.
Kuschnerova verweist mit ihrer poetischen Lesart
der Etüden, Préludes und Poèmes auch auf das enge Verhältnis
von Skrjabin zu Chopin. Dabei zeigt sie zugleich auf, an welchen Stellen
das Vorbild deutlich durchscheint, doch gleichermaßen, wo der Jüngere
sich vom Älteren emanzipiert, wo er sich gleichsam agogisch und in
harmonisch kühner Wendung freischwimmt. Heute Abend hat Skrjabin frei,
an seine Stelle tritt ein nicht minder bekannter Landsmann. Elena Kuschnerova
spielt die "Bilder einer Ausstellung" von Mussorgski, dazu Stücke
von Chopin und Liszt. Man sollte es sich nicht entgehen lassen.
JÜRGEN OTTEN
Heute Abend, 20 Uhr, Kammermusiksaal der Philharmonie,
Herbert-von-Karajan-Straße 1, Tiergarten. |
Frankfurter
Allgemeine Berlin, 29 June 2000
The Storyteller
A
yet-undiscovered supreme talent will be playing tonight in the chamber
music hall of the Berlin Philharmonic
In the world of pianists she remains known only
to a special few. Despite top references, such as a diploma with Top Honors
from the Tchaikovsky Conservatory in Moscow and numerous glowing reviews
of her CDs (including the Quarterly Prize of the German Recording Critics
for her Prokofief CD with Sudwestfunk in Baden-Baden), the ascent to the
top halls has remained denied to her. She has yet to experience the
world's top orchestras or the world's most renowned podiums, and the recording
companies that could have supported her career continue to neglect signing
a contract with her. The reasons for this are homemade. The so-called
Classical Music Market, at least for pianists, is more competitive than
ever before. Whoever succeeds in making a name for himself, be it
through crazy pianistic deeds or sheer extravagance, has it easy.
If you don't play the game, life is hard. It is hardly sufficient
anymore to play piano exceedingly well or even better, combining this with
a proper portion of individuality.
Elena Kuschnerova is an artist who can accept
the compliment of belonging to this latter category; one whose ascent lies
in the future when someone will take her by the hand. She comes from Russia
like so many supremely talented pianists, and has lived 8 years in Germany.
Her sophisticated and cultivated touch and her technically superior
playing is molded with an enormous array of tonal colors and variety of
expression, her sense of form is just as stupendous as her ability to tell
exciting stories on the piano.
For example, the stories of Scriabin. In
her CD that appeared at the beginning of the year (see the FAZ of March
3, 2000), Elena Kuschnerova plays Scriabin's Études Opus 8, the
24 Préludes Op. 11 as well as the 2 Poèms Op. 32. Every
piece is a small jewel, full of small secrets, sometimes tender, sometimes
massive, but always with surprising changes yet always contained within
the cyclical nature of the complete work. Through a rubato that
stems from the breath of the music and urges itself upon the listener together
with tremendous tonal control, Kuschnerova succeeds in giving each individual
piece its own very personal character without allowing the relationship
between their differing characters and their stories to be lost.
These pieces interact with one another, as do finely defined people in
a play by Chekov; despite standing together on the stage, each one of them
has something very personal to say.
With her poetic reading of the Études,
Préludes and Poèms, Kuschnerova shows the close relationship
of Scriabin to Chopin. She shows where the earlier master's example
comes through, but equally demonstrating where the younger composer has
freed himself from the older; where he, so to speak, swims freely both
with agogic and harmonically bold changes. Tonight, Scriabin
has the evening off. In his stead Elena Kuschnerova will be playing
the "Pictures at an Exhibition” from a no less well known fellow countryman,
Mussorgsky. In addition, there will be works by Chopin and Liszt.
This is not an opportunity to be missed.
JUERGEN OTTEN |
Berliner
Morgenpost, 3.7.2000
Klavierabend in Berlin,
29.06.2000
Furioser Einstand der Pianistin
Elena Kuschnerova
Die Russen kommen! Die Generation nach Emil Gilels,
Igor Shukow und Nikolai Petrow drängt mächtig nach vorn. Sie
gibt Klavierabende von solcher Qualität, dass man mit dem Aktualisieren
der pianistischen Bestenliste kaum noch nachkommt. Schier unerschöpflich
scheint das Reservoir an neuen Talenten zu sein, die sich freier und früher,
relativ rasch auf westlichen Podien bewähren und sie sind alles andere
als kühle, gedrillte Klaviertechniker. Eine staunenswerte Phalanx,
der eines gemeinsam ist: eine absolut perfekte Beherrschung des Instruments.
Das aktuelle Beispiel ist Elena Kuschnerova. Sie
ließ sich anlässlich eines Benefizkonzertes für die Sommerschule
Wust erstmals im Kammermusiksaal der Philharmonie hören. Eine famose
Debütantin aus Moskau, die seit 1992 in Deutschland lebt und deshalb
die Frage aufwirft, warum sie sich erst jetzt vorgestellt hat. In manueller
Hinsicht rechtfertigt sie alle Vorschusslorbeeren. Und ihr Interpretationsstil?
Sie hat, im besten Sinne, keinen, der sie einengt. Sie lässt sich
vielmehr mit einer bewundernswerten Verwandlungsbereitschaft ganz auf die
stilistische Vielfalt des jeweiligen Werkes ein.
Den Zyklus «Bilder einer Ausstellung»
von Modest Mussorgsky bringt sie zu wunderbar suggestiver Erfüllung.
Die wechselnden Eindrücke eines Galeriebesuches lassen keine Wünsche
nach Imagination, Farbigkeit und Plastizität offen. Die spielenden
Kinder in den Tuilerien, die Küchlein in ihren Eierschalen und die
Marktweiber von Limoges: Sie alle tobten wie im Zeitraffer vorüber.
Der Ochsenkarren bewegte sich flott durch die Landschaft. Auch alle übrigen
Tableaux waren ebenfalls völlig exakt umrissen. Und als Elena Kuschnervova
schließlich in das wuchtige, aber nie dröhnende «Große
Tor von Kiew» einbog, war das der majestätische Abschluss einer
famos fantasievollen Museums-Promenade.
Auch eine Chopin-Spielerin von hohem Rang ist
Elena Kuschnerova offenbar. Das Des-Dur-Nocturne aus Opus 27 schwebte leicht,
luftig und duftig wie in einem Federflug vorüber. Die f-Moll-Ballade
op. 52 erzählte detailgetreu und schön beredt ihre imaginäre
Geschichte. Danach die «Wasserspiele der Villa d'Este», die
zehnte ungarische Rhapsodie, Petrarcas Sonett Nr. 104 und der Mephisto-Walzer
von Franz Liszt. Alle vier Stücke waren kein Anlass für Elena
Kuschnerova zu plakativem Oktavengedonner oder vordergründigem, hohlem
Diskantgeklingel.
Sie riskierte einiges, sie legte sogar ein gesteigertes
Tempo vor, das einige Grifffehler befürchten ließ. Sie unterliefen
ihr dennoch nicht, und alles, was eine Liszt-Interpretin von einem ordentlichen
in den außerordentlichen Rang erhebt, wurde spürbar: wirbelnde
Bravour und rauschende Brillanz in Verbindung mit einer fein erfühlten,
reich erfüllten Poesie.
W. S. |
Dresdner
Neueste Nachrichten, 17.01.2001
"Diabolische Kaskaden" mit Dynamik
und Farbigkeit gemeistert
293. Galeriekonzert
mit der jungen russischen Pianistin Elena Kuschnerova
Dieses Galeriekonzert glich einem Wechselbad der
Gefühle. Das Beste kam zweifellos zum Schluss, als die junge russische
Pianistin Elena Kuschnerova den Born der reichhaltigen heimatlichen Klavierliteratur
üppig sprudeln ließ und hier Überragendes leistete.
Strawinskys Klavierfassung von drei Sätzen
aus seinem Ballett "Petrouchka" gehört wegen der virtuosen Instrumentierung
der Tastatur, der unglaublichen Ansprüche an die Sprung- und Schlagtechnik
zum Schwersten, was die Gattung zu bieten hat. Aber für Elena Kuschnerova
konnten die technischen Hürden nicht hoch genug liegen - Schwierigkeiten
kannte sie in dieser Hinsicht überhaupt nicht. Und so spielte sie
sich in den "diabolischen Kaskaden" in einen wahren Rausch hinein, in Dynamik
und Farbigkeit kaum zu schlagen, von knisternder, atemlos machender Spannung
vorwärts getragen.
Ähnlich glücklich wurde man mit Tschaikowskys
intimen Stimmungsbildern, den "Jahreszeiten", in denen die Pianistin zuerst
hingebungsvoll am Kamin träumte (Januar), um dann temperamentvoll
die Freuden des Karnevals (Februar) zu genießen. In diesen Miniaturen
erschloss Elena Kuschnerova pianistisch grandios und gestalterisch klug
tiefere Dimensionen. Vor Strawinsky und Tschaikowsky bot die Pianistin
ein "buntes Programm", das vor allem geeignet war, ihre zweifellos vorhandene
blendende Virtuosität und technische Brillanz zu betonen. Doch mit
der Aneinanderreihung von virtuosen Zugstücken wurde das Ganze mit
der Zeit einförmig. Zudem erlag Elena Kuschnerova immer wieder einmal
der Gefahr, stilistische und klangliche Unterschiede zu verwischen. Das
ging gleich mit Bachs Italienischen Konzert los, für das ich mir
vor allem ein anderes Instrument gewünscht hätte und ein
weniger grobflächiges Herangehen, das dem von Bach konzipierten reizvollen
Wechsel von Tutti und Solo mehr Raum gegeben hätte.
Dieses Eingangswerk bot die ideale Verbindung
zu dem von Professor Harald Marx zu besprechenden Bild von Domenico Fetti
"Das Gleichnis vom verlorenen Groschen". Nach Scarlatti und Mozart - dessen
Paisello-Variationen erklangen in kultivierter Manier - folgte Beethovens
beliebtes Rondo a capriccio G-Dur, "Die Wut über den verlorenen Groschen".
Hier durfte Elena Kuschnerova mit Leidenschaft Elan über die Tasten
toben und wirbeln.
Formal gab es an der Auseinandersetzung mit Mendelssohn
Bartholdys wunderschönem Rondo capriccioso E-Dur op.14 nichts auszusetzen,
was fehlte, waren der kantable südliche Schmelz, die Wärme des
Ausdrucks. Auch Schumann ließ Elena Kuschnerova an diesem Abend nicht
aus. Sie wählte die Abegg-Variationen op. 1, ein gemütvolles,
dem Zeitgeschmack entsprechendes Stück eines Einundzwanzigjährigen.
Dann kam die russische Literatur - inklusive unermüdlich
gewährter und den eigentlichen interpretatorischen Schwerpunkt der
Pianistin verratenden Zugaben (Skrjabin, Ljadow, Mussorgski). Und dabei
konnte einem nun wirklich das Herz aufgehen.
M. HANNS |
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